Mitte August 2023, Interviewtermin im Stadtteilbüro in der Rostocker Straße 35. Es ist sein dritter Arbeitstag hier, erzählt Stefan Schulz. Doch hatte der 37-jährige schon etwas vorgearbeitet. An einem Abend im Juli besuchte er schon mal eine Quartiersratssitzung, um herauszufinden, wie das alles hier in Moabit so läuft. Der Stadtteil ist neu für ihn, doch hat er vom Quartiersmanagementverfahren an sich bereits viel Ahnung.
QM-Erfahrung in Straußberg
Stefan arbeitete bis vor kurzem bereits ein Jahr lang für die S.T.E.R.N. GmbH im QM-Gebiet Hegermühle im brandenburgischen Straußberg, das rund 30.000 Einwohner hat. Hegermühle ist ein Plattenbaugebiet aus den 1980er Jahren, in dem etwa 5.000 Menschen leben. „Wenn das auch nicht alle Bewohner so sehen, ist es dort eigentlich nicht schlecht zu wohnen“, erklärt Stefan sein früheres Wirkungsfeld. Das Wohngebiet liegt direkt an der S-Bahn, und man hat von dort nur fünf Gehminuten zum See. Doch hapert es mit der Identifikation. Viele, die hier leben, hadern mit dem Gebiet. Die Bewohnerschaft ist zweigeteilt: neben dem „Erstbezug" der Häuser - heute sind das viele Betagte im Alter von über 70 Jahren - gibt es zahlreiche jüngere Neuzugezogene mit arabischen Wurzeln. Zwei Supermärkte gibt's da, ein Ärztehaus, zwei Kindergärten und eine Grundschule, zählt Stefan auf. Die Grundschule zu sanieren, war das bei weitem größte Projekt, das im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ auf den Weg gebracht wurde. Um eine Investition von mehreren Millionen Euro ging es dabei insgesamt. Der Quartiersrat im QM Beusselstraße unterscheidet sich sehr von dem Quartiersrat in Hegermühle. Hier in Moabit gibt es eine bunte Durchmischung und vor allem viele jüngere Leute, findet Stefan. In Straußberg hingegen war nur ein einziges Mitglied unter 40, während alle anderen über 70 Jahre zählten. Dort stellte die Aktivierung der Bevölkerung eine sehr große Herausforderung dar. Das, hofft Stefan, wird in Moabit anders sein. Einen weiteren Unterschied beschreibt er die Aktionskasse in Höhe von 250 Euro in Straußberg zum Aktionsfonds mit bis zu 1.500 Euro. „Damit kann man einfach viel mehr machen.“ Generell findet er, dass hier mit der vielfältigen Trägerlandschaft hier gut Bedingungen herrschen und das QM Beusselstraße über die Jahre eine sehr gute Präsenz im Gebiet aufgebaut hat.
Stefans Werdegang
Stefan ist in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden geboren und aufgewachsen. Zum Studium der Sozialwissenschaften ging er nach Köln und Bochum. Im Jahr 2017 zog er wegen einer vielversprechenden Arbeitsstelle nach Berlin. Er war fünf Jahre lang im Bereich von Bildungsforschung und Bildungsmonitoring bzw. -berichterstattung tätig. Das bedeutete in seinem Tagesgeschäft, viele Konzepte am Rechner zu verfassen. Seit zwei Jahren begleitet Stefan ehrenamtlich für das Union-Hilfswerk als Mentor einen jungen Jesiden aus dem Irak, der in Berlin erfolgreich eine Ausbildung zum Erzieher absolviert hat. „Das war die Initialzündung für meine berufliche Veränderung", meint er im Rückblick. Stefan wollte in seinem beruflichen Alltag mehr Praxis als Theorie und vor allem mit mehr Menschen zu tun haben. Über „Gesines Jobtipps" fand er die Ausschreibung der S.T.E.R.N. GmbH und wurde 2022 als Quereinsteiger zum Quartiersmanager in Straußberg. Das war ein spannendes Betätigungsfeld mit großen Herausforderungen, doch ging ihm die lange Fahrerei mit der Zeit auf die Nerven. Anderthalb Stunden dauert es mit den Öffentlichen von Schöneberg aus, wo er wohnt, bis nach Straußberg. Eine Richtung wohlgemerkt. Das bedeutete mindestens drei Stunden Fahrzeit pro Arbeitstag, „vorausgesetzt, dass alle Anschlüsse klappen und gerade kein Schienenersatzverkehr ist.“ Nach Moabit hingegen braucht er nun fünf U-Bahn-Stationen und ist in einer halben Stunde im Stadtteilbüro. „Ich könnte sogar in einer Stunde herlaufen!"
Aufgaben in Moabit
Zu seinen Aufgaben im QM Beusselstraße gehört vor allem die Betreuung des Quartiersrats, die Begleitung von Projekten, die durch den Projektfonds gefördert werden, wie z.B. „Restlos Glücklich“, sowie die Initiierung eines neuen Klimaprojektes. In Straußberg war Stefan verantwortlich für das Netzwerk Familienförderung, und auch hier in Moabit findet er den Netzwerk-Gedanken ganz wichtig. Nachher steht ein Kiezrundgang mit seinem Kollegen Tim Kormeyer an. Dadurch möchte er weitere Orte und Akteure wie neulich die Stadtteilmütter kennenlernen. Die hatte er schon in ihren neuen Räumen in der Waldstraße besucht. Mindestens an drei Tagen pro Woche wird Stefan als Quartiersmanager in Moabit anzutreffen sein. An den anderen Tagen arbeitet er in der Zentrale von S.T.E.R.N. - u.a. an Untersuchungen zum Erlass von Sozialen Erhaltungsverordnungen (Milieuschutzgebiete). Diese Mischung von Tätigkeiten findet er gut. Stefan löst im Beusselkiez Quartiersmanagerin Katharina Zöller ab, die vier Jahre hier arbeitete. Katharina tritt im September die Stelle als Projektleiterin des QMs Hellersdorfer Promenade an.
Und was macht Stefan, wenn er nicht arbeitet?
Er hegt eine große Leidenschaft für die spanische Sprache, belegt schon seit über sechs Jahren Kurse und Tandems. 2018 ist er ein halbes Jahr lang durch Südamerika gereist und hat dabei verschiedene Länder von Argentinien bis Kolumbien kennengelernt. Dieses Sabbat-Halbjahr war für ihn die Erfüllung eines Lebenstraumes. Er kommt beim Erzählen richtig ins Schwärmen. Auch von Berlin aus geht er gern auf Tour, ob nun Wandern zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die Gegend um Straußberg kennt er natürlich schon sehr gut. Und immer wieder ist er auf den verschiedenen Routen des „66 Seen Weg“ im Berliner Umland unterwegs.
Alles Gute für den neuen beruflichen Abschnitt in Moabit, und für Katharina für den Neubeginn in Hellersdorf!
Text & Fotos: © Gerald Backhaus 2023