Die neue Rektorin der Carl-Bolle-Schule

Die neue Rektorin der Carl-Bolle-Schule

Eine Schule im Auf- und Umbruch

Interview mit Sonja Rehm-Zimmer, seit 2021 Schulleiterin der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit

von Gerald Backhaus

Interview im Büro der Schulleitung im ersten Stock. Man merkt ihr gleich die Sportlerin an: offenes Lachen, ungezwungene Gesten, und Ärmel hochzukrempeln und anzupacken ist ganz ihr Ding. Im November 2021 hat sie die Carl-Bolle-Grundschule übernommen. Seitdem ist Sonja Rehm-Zimmer dabei, ihre neue Wirkungsstätte - ähnlich einem Kapitän und seinem Schiff - durch eine Phase des Auf- und Umbruchs zu navigieren. 

Gebürtige Spandauerin in Moabit

Sonja Rehm-Zimmer ist gebürtige Spandauerin, Jahrgang 1972, lebt in Kladow und ist seit 2002 verbeamtete Lehrerin. Ihre Spandauer Schule besuchte sie zunächst als Schülerin. Später kehrte sie als Praktikantin zurück und war dort Referendarin, Junglehrerin, Lehrerin und von 2007 bis 2019 Konrektorin. Sie unterrichtete vor allem Sport und Deutsch, am liebsten in den Klassenstufen 5 und 6. Als sie 2019 mit ihrem Mann und den Kindern nach Schleswig-Holstein zog, leitete sie dort die Grundschule von Satrup nahe Flensburg. Durch einen Pflegefall in der Familie zog sie bald zurück nach Berlin und wirkte ein Schuljahr als Lehrerin in Brandenburg. Das war keine leichte Situation, nach dem sie so viele Jahre lang als Führungskraft tätig gewesen war. Gut, dass dann der Ruf zurück nach Berlin erschallte und sie die Leitung „der Bolle“ in Moabit übernehmen konnte.

Sport gehört schon immer zu ihrem Leben

Mit dem Sport begann Sonja Rehm-Zimmer als kleines Mädchen bei den Wasserfreunden 04 in Spandau. Im Alter von 14 Jahren stieg sie vom Schwimmen auf Modernen Fünfkampf um und schaffte es in dieser Disziplin bis in den Nationalkader. Sie absolvierte eine Banklehre bei der Berliner Bank, und da man in den 90er Jahren auf ein Lehramts-Referendariat warten musste, zusätzliche Ausbildungen in Sporttherapie und einen Montessori-Diplom-Kurs. Sich selbst bezeichnet die dreifache Mutter als „ehrlich, geradeaus und temperamentvoll“. Mit ihrer Direktheit bei anderen Menschen anzuecken, hat sie früher oft erlebt. Mit den Erfahrungen im Schuldienst wurde sie mit der Zeit immer diplomatischer: „Ich habe gelernt, nicht mehr zu schnell zu reagieren und mir auch mal auf die Zunge zu beißen.“

„Schule in Bewegung“

Eine Sportlerin an der Spitze passt sehr gut zur Carl-Bolle-Grundschule. Sie ist eine sportbetonte Ganztagsschule mit integriertem Freizeitbereich. Ihr Ziel ist es, möglichst viele Kinder für Sport und Bewegung zu begeistern und zum Sporttreiben in der Freizeit anzuregen. Konkret bedeutet das, dass es in allen Klassenstufen eine zusätzliche Sportstunde gegeben wird. Außerdem gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung am Nachmittag durch Arbeitsgemeinschaften wie Leichtathletik, Tischtennis und Fußball. Und beim Handball wird mit den Profis vom Verein Füchse Berlin kooperiert. Generell befindet sich die Bolle im Umbruch, erzählt die Rektorin. Es gebe eine schwierige Ausgangslage in dem denkmalgeschützten Gebäude in der Waldenser Straße, in dem allein baulich sehr viel zu erneuern wäre. Verwaltungsleiter Andreas Haase am Schreibtisch am Fenster schaut kurz zu uns hinüber und nickt. Auch er ist erst seit Ende 2021 an Bord. Derzeit gibt es keinen Konrektor, und die seit langem erkrankte Schulsekretärin wird durch Springer-Arbeitskräfte ersetzt. „Wir haben gerade die achte Sekretärin hier“, so Sonja Rehm-Zimmer. Plötzlich dröhnt die Sirene. Feueralarm! Ich packe Notizblock und Kamera zusammen und möchte das Zimmer mit Frau Rehm-Zimmer und Herrn Hase verlassen, als sich herausstellt, dass es zum Glück nur ein Fehlalarm ist. Eine Schülerin hat ihn wohl ausgelöst, heißt es. Die Sirene lässt sich allerdings nicht so schnell ausstellen.

Der Schulversuch: „Flex-Ganztag“

Als wieder Ruhe eingekehrt ist, geht es zurück am Tisch dann um den „gebundenen Ganztag“ bis 16 Uhr, und dass die Carl-Bolle-Schule neben einer weiteren Schule in Zehlendorf aktuell an „einem großartigen Versuch“ teilnimmt. Für viele Eltern der rund 350 Bolle-Kinder mit fast 40 Lehrkräften stellt es ein Problem dar, dass ihr Nachwuchs an jedem Schultag von 7.30 bis 16 Uhr in der Schule sein muss. Über drei Jahre lang soll deshalb hier und demnächst auch an vier weiteren Berliner Schulen getestet werden, ob eine flexiblere Zeitgestaltung nach dem Motto „Flex-Ganztag“ den Bedürfnissen der Familien mehr entgegen kommt. Der flexiblere „Ganztag“ bedeutet, dass der Unterricht nur noch bis maximal 14.30 Uhr dauert und danach, wer will, nach Hause kann oder an Nachmittagsangeboten im Hort teilnimmt. Natürlich wird auch künftig am Wechsel von Phasen der Anspannung und Entspannung bei den Kindern festgehalten. Dass jedes Kind in der Schule ein Mittagessen bekommt, ist genauso gewährleistet wie das „gesunde Frühstück“. Unter diesem Motto versorgt der Brot e.V. die Schülerinnen und Schüler der 1. und 2. Klassen jeden Tag mit einem nahrhaften Frühstück, bevor der Unterricht beginnt. 

Viele Erstklässler und kein JüL mehr

Für das kommende Schuljahr hat Sonja Rehm-Zimmer rund 190 Anmeldegespräche mit Eltern geführt. 75 Kinder kann sie in den drei neuen 1. Klassen an der Bolle-Schule aufnehmen. Schnuppertage für die zukünftigen Erstklässler gab es zur Vorbereitung in den vergangenen Wochen. Da konnten die Kleinen mal für ein paar Stunden aus dem Kindergarten zur Schule kommen und schauen, was sie in der Bolle ab August so erwartet. Neu ist ab dem Schuljahr 2022/23, dass das „jahrgangsübergreifende Lernen“ (JüL) abgeschafft wird, weil es sich hier an der Schule nicht bewährt hat. Das bedeutet, dass die Altersgruppen nicht mehr gemischt werden, sondern dass es stattdessen wieder ganz klassisch 1., 2. und 3. Klassen gibt.

Aus Kladow fährt Sonja Rehm-Zimmer jeden Tag mit dem Auto nach Moabit. Sie muss das, denn mit den Öffentlichen würde sie von daheim aus anderthalb Stunden pro Tour brauchen. Doch das Auto in Moabit abzustellen, hat seinen Preis. Die Schulrektorin musste sich extra einen Parkplatz anmieten. Die Parksituation macht es für manche aus dem Kollegenkreis unmöglich, mit dem Auto zur Schule zu kommen, berichtet sie. Zu hoch sind die Parkgebühren, und die Bolle hat keinen eigenen Parkplatz.

Vernetzung im Kiez und Investitionen

Um die Verzahnung im Kiez zu intensivieren, arbeitet Schulleiterin Rehm-Zimmer neben dem Schulgarten Moabit in der Birkenstraße und dem Bildungsverbund Moabit auch mit dem Quartiersmanagement Beusselstraße (QM) zusammen. „Wir richten als Zusatzangebote Lernbüros ein, z.B. das Lernbüro Mathematik, aber auch für andere Fächer. Dort mischen sich jüngere und ältere Kinder und helfen einander. Das QM unterstützt uns finanziell bei der Ausstattung, und künftig hoffentlich auch bei Übungsleiterhonoraren.“ Die sind wichtig für die zahlreichen Sport-AGs in kleinen Gruppen am Nachmittag, die wichtiger Bestandteil des neuen Schulprofils sind. Auch was die Mediennutzung angeht, wird an der Bolle kräftig investiert. Der alte Computerraum wird zum Laptopraum. Grüne Kreidetafeln sind wohl endgültig passé, wenn jetzt auch alle weißen Smartboards durch neuere Tafelvarianten ausgetauscht werden. Externe Träger wie die „Open Doors“ bieten im Rahmen der Sommerschule Profi-Mathe- und Profi-Englisch-Kurse an. Und dann erwähnt die Schulleiterin noch „Freiday“. Das ist eine Form der Demokratie-Erziehung, in der die Kinder lernen, über ihre eigenen Interessen zu diskutieren. Dazu werden Arbeitsgruppen gegründet, die sich z.B. um die bestmögliche Raumgestaltung kümmern. 

Und wie geht’s mit der Bolle weiter?

Die Bolle hat so viel Potential, was teilweise wieder neu erweckt und mit Leben gefüllt werden soll, schwärmt Sonja Rehm-Zimmer: „die Küche, Brennöfen und ein Fotostudio, um nur drei spannende Dinge zu nennen.“ Doch zunächst gibt es bald Schulzeugnisse und danach beginnen die Sommerferien. Dann können nicht nur die Kinder, sondern auch die Rektorin und ihr Kollegium, das zu einem großen Teil aus Junglehrerinnen und Quereinsteigern besteht, durchatmen. Die Schulleiterin freut sich vor allem auf eine intensive Zeit mit den eigenen Kindern und ihren Pferden in den kommenden Wochen. Danach geht’s weiter, u.a. mit der Suche nach mehr Personal sowohl im pädagogischen Bereich als auch in der Verwaltung. Bei all dem steht natürlich die Arbeit mit den Schulkindern immer im Vordergrund. Und Sonja Rehm-Zimmer freut sich schon darauf, sie dann ein paar Wochenstunden auch wieder unterrichten zu können.

Kontakt: Carl-Bolle-Schule, Ganztagsschule mit integriertem Freizeitbereich, Waldenserstraße 20/21, 10551 Berlin, Telefon: +49 [30] 397 457 810, Telefax: +49 [30] 397 457 811, E-Mail: info@carl-bolle-grundschule.dewww.carl-bolle-grundschule.de

Text & Fotos: © Gerald Backhaus 2022

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